Die bisherige Haftung für Produkte und Waren im Onlinehandel
„Haftung bzw. Haftpflicht“ bedeutet, für einen Schaden in die Pflicht genommen zu werden und für die Kosten aller Geschädigten aufzukommen.
Es besteht die Gefahr, dass der Onlinehändler für die Fremdprodukte seiner Lieferanten wie ein Hersteller bzw. Produzent haften muss.
Die Haftungsgrundlagen für Onlinehändler sind vielfältig und vielschichtig:
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Vertragliche Haftung
Der Onlinehändler hat die Kaufsache frei von Mängeln zu übergeben. Außerdem gilt beim Verkauf an private Endverbraucher, dass beim Auftreten eines Mangels in den ersten 6 Monaten unterstellt wird, dass der Mangel von Anfang an vorhanden war.
Beispiel: Dein Kunde kauft bei Dir ein Fahrrad oder ein E-Bike, das bei einer Fahrt kaputtgeht, so dass der Kunde stürzt – Hose kaputt, Knochen kaputt.
Wenn sogenannte zugesicherte Eigenschaften fehlen, haftet der Onlinehändler noch weitergehender: er haftet dann ohne Verschulden und auch für Folgeschäden. Zugesicherte Eigenschaften können bewusst als Garantieerklärung oder auch stillschweigende Verwendungshinweisen gegeben werden.
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Produkthaftung nach dem ProdHaftG
Nach dem Produkthaftungsgesetz haftet der Hersteller einer Sache für Personenschäden und Sachschäden. Die Produkthaftung ist eine Gefährdungshaftung, und besteht immer zusätzlich zur vertraglichen und deliktischen Haftung. Ein geschädigter Verbraucher
In die Rolle des Herstellers gerät der Onlinehändler sehr leicht durch den Verkauf von Eigenmarken, durch das Aufkleben seines Namens als Hersteller, durch den Import seiner Waren in den EWR oder wenn er den Lieferanten nicht rechtzeitig oder nicht genau genug benennen kann. Siehe hierzu ausführlich FUCHS-VIDEO QUASIHERSTELLER
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Deliktische Haftung nach §§ 823, 831 BGB als Produzentenhaftung
Ausgangspunkt ist § 823 BGB, also die Haftung für „falsches Handeln und schlechte Organisation“.
Die Haftung des Herstellers und/oder Quasi-Herstellers knüpft an:
- Herstellungsmängel,
- Konstruktionsfehler,
- Verletzung von Kontroll- und Statussicherungspflichten
- Verletzung von Instruktionspflichten sowie die
- Verletzung von Produktbeobachtungspflichten
Voraussetzung für eine Haftung nach § 823 ist zwar immer ein „Verschulden“.
ABER: Eine Besonderheit zur Verschärfung der Produzentenhaftung ist die
- Beweislastumkehr für das Verschulden bei bestimmungsgemäßer Verwendung des Produktes
- Eine schwere Entlastung für das Verschulden von anderen und
- Eine Beweislastumkehr für eigenes Organisationsverschulden.
FAZIT: Steht fest, dass das Produkt fehlerhaft ist, ist anzunehmen, dass der Produzent einen Fehler begangen haben muss.
UND: Die Grundsätze zur Verschärfung der Produzentenhaftung durch die Beweislastumkehr treffen auch die Inhaber von Kleinbetrieben und damit natürlich auch den Onlinehandel.
Erwähnt werden soll noch ein weiteres Kostenrisiko aus der Produktbeobachtungspflicht. Der Hersteller und auch der Quasi-Hersteller müssen ihr Produkt auch nach dem Inverkehrbringen im Blick behalten. Es ist darauf zu achten, ob sich Mängel zeigen, die Personenschäden verursachen können. Das führt zur Pflicht zum Rückruf des Produktes.
Zur Einhaltung der Produktbeobachtungspflicht müssen geeignete Maßnahmen zur Erkennung von bisher unbekannten Produktgefahren vorhanden sein. Schon bei hinreichendem Fehlerverdacht muss das Produkt aus dem Verkehr gezogen werden (können). Ratsam ist ein Rückrufplan, der die Rückrufmaßnahmen auflistet und die Abläufe und die Zuständigkeiten festlegt.
Die vorgenannten Ausführungen skizzieren nur grob die Haftungsrisiken des Onlinehändlers aus dem Vertrieb von Produkten.
Achtung: „Haftung“ heißt noch lange nicht „Deckung“! Ob man im konkreten Schadenfall den wertvollen Versicherungsschutz einer Produkthaftpflichtversicherung und damit die gewünschte Absicherung genießt, hängt von anderen Faktoren ab, nämlich dem „Kleingedruckten“ im vereinbarten im Versicherungsvertrag! Versicherungen sind Rechtsprodukte und erfordern die Beratung und Vermittlung durch einen Spezialisten.
Die neue Haftung für den Onlinehandel ab Juli 2021
Da immer mehr Händler ihre Produkte online über alle Grenzen hinweg vertreiben, soll die Sicherheit der so verkauften Produkte erhöht werden.
Um die Sicherheit von Produkten zu erhöhen, gibt es das sog. Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) -> Hersteller, Importeure, Händler sind dazu verpflichtet nur sichere Produkte auf den Europäischen Binnenmarkt zu bringen.
Das ProdSG regelt grundsätzlich das Bereitstellen aller Produkte im Rahmen einer wirtschaftlichen Unternehmung. Ergänzt wird das ProdSG ab Juli 2021 durch die Marktüberwachungsverordnung, Ziel der Verordnung: künftig soll es nur noch Produkte auf dem Europäischen Markt geben, die sicher sind und den europäischen Vorschriften hinsichtlich der Produktgestaltung entsprechen.
Unsichere und nicht konforme Produkte sind eine Gefahr für den Verbraucher und sollen so vom Markt verschwinden und auch nicht über Onlineplattformen wie z. B. amazon oder ebay angeboten werden können.
Durch die Marktüberwachung sollen künftig Verstöße und unsichere Produkte effektiver aufgedeckt werden.
Der Onlinehändler ist zwar nach geltendem Recht weder Hersteller noch Inverkehrbringer von Produkten, er wird nun aber durch die neue Verordnung schon durch das bloße Anbieten im Netz oder auf Onlineplattformen zum Inverkehrbringer.
Ergo: der Händler wird künftig in Sachen Produktsicherheit und Produktkonformität stärker in die Verantwortung und Haftung genommen.
Durch die neue Art der Haftung ergibt sich ggf. ein Bedarf zur Anpassung des Versicherungsschutzes im Bereich der Produkthaftpflichtversicherung. Diese Spezialpolice muss künftig auch die „Verschärfte Produkthaftung“ abdecken.
Weiterführende Informationen…
Produktrückrufe in Deutschland häufen sich
Versicherungslücke in der Produkthaftpflichtversicherung für den Produktrückruf