Vom Händler zum Importeur – neues Haftungsrisiko für den Vertrieb von Medizinprodukten aus der Schweiz.
Der Europäische Wirtschaftsraum (EWR) wurde 1994 gegründet, um die EU-Bestimmungen auf die Länder der Europäischen Freihandelszone (EFTA) auszuweiten.
Norwegen, Island und Liechtenstein gehören dem EWR an. Die Schweiz ist Mitglied der EFTA und gehört nicht zum EWR.
Durch die neue EU-Verordnung über Medizinprodukte, der Medical Device Regulation oder kurz MDR ist das nun zum Problem geworden. Jeder Händler, der bisher Medizinprodukte aus der Schweiz verkauft hat, muss seine Haftungsrisiken und seine Produkthaftpflichtversicherung überprüfen und aktualisieren.
Artikel 2 der neuen EU-Verordnung definiert den „Importeur“ wie folgt:
„Importeur bezeichnet jede in der Union niedergelassene natürliche oder juristische Person, die ein Produkt aus einem Drittland auf dem Unionsmarkt in Verkehr bringt.“
Der Knackpunkt heißt „Unionsmarkt“. Damit gehört die Schweiz definitiv nicht mehr dazu! Medizinprodukte von dort sind nun zum Import aus dem Drittland geworden.
Wer schweizerische Medizinprodukte „Inverkehrbringen“, also in der EU bereitstellen will, den treffen damit neue Pflichten. Für Importeure gelten seit Mitte 2021 andere Pflichten und Haftungsrisiken als für den klassischen Händler.
Pflichten als Importeur im Sinne von Artikel 13 der MDR:
- Vertrieb nur von konformen Produkten zulässig
- Prüfpflicht der CE-Kennzeichnung und Konformität
- Prüfpflicht der Identität von Hersteller und Bevollmächtigten
(Wir raten dazu, auch das Vorhandensein einer Produkthaftpflicht beim Hersteller und beim Bevollmächtigten zu prüfen! Gemäß Artikel 10 (16) und Artikel 11 (5) der MDR) - Prüfpflicht zur Einhaltung der Produktsicherheit
- Gewährleistung der Produktbeobachtung,
- Dokumentation von Beschwerden
- Meldepflichten bei Sicherheitsproblemen
- Pflicht zur Mitwirkung beim Produktrückruf
Der Importeur trifft also nicht direkt die verschuldensunabhängige Produkthaftung des Herstellers und des Bevollmächtigten.
ABER: die neuen und erweiterten Pflichten des Importeurs öffnen Tür und Tor für vertragliche Haftungsansprüche aufgrund von Pflichtverletzungen. Die Haftung für Pflichtverletzung ist zwar verschuldensabhängig, dafür aber weitergehender als z. B. deliktische Ansprüche.
Der Verweis auf den Hersteller oder seinen EU-Bevollmächtigten helfen dem Importeur nur wenig. Diese haften anders und „sowieso“.
Die finale Frage ist, wer will schon riskieren für teure Schäden haftbar gemacht zu werden, um mit seinem Vermögen für den Schaden einzustehen.
Wedel, 28.12.2021 Dipl.-Kfm. Christian J. Fuchs