Wieso werden Produktrückrufkosten immer mehr zum Schaden- und Reputationsrisiko?

Wieso werden Produktrückrufkosten immer mehr zum Schaden- und Reputationsrisiko? Wieso decken die Produkthaftpflichtversicherung und die Erweiterte Produkthaftpflichtversicherung keine Produktrückrufkosten ab?

Seit Juni 2021 ersetzt ein Medizinproduktehersteller seine Beatmungsgeräte und CPAP-Geräte (Continuous Positive Pressure Ventilation) in mehreren Ländern, nachdem ein mögliches Problem mit dem schallabsorbierenden Schaum in diesen Medizinprodukten festgestellt wurde. Im April 2024 hat die betroffene Firma es geschafft, den entstandenen Rechtsstreit zu beenden.

Der Fall soll deutlich machen, dass schon ein “mögliches Problem” ausreicht, um die Verpflichtung zum Produktrückruf auszulösen. Es muss kein tatsächliches Problem bzw. konkreter Schadenfall vorliegen.

Jeder Hersteller muss seine Produkte beobachten, und sobald er die Wahrscheinlichkeit für einen Personenschaden sieht, muss er sich um einen Produktrückruf kümmern. Nicht zu unterschätzen ist auch, dass schon ein vergessener oder ein falscher Beipackzettel für ein “unsicheres Produkt” sorgen kann.

Der Produktrückruf ist im Rahmen der Produktbeobachtungsverpflichtung als eine Art Vorstufe gedacht, um Personenschäden zu verhüten.

Hauptverantwortlich für die Produktsicherheit eines Produktes ist sein “Hersteller”. Gemäß §6 des Produktsicherheitsgesetzes (ProdSG) ist jeder Hersteller verpflichtet, seine Produkte zu beobachten und

Sicherheitsrisiko durch ein von ihm auf den Markt gebrachtes Produkt zu beseitigen.

Wie der Hersteller im Fall der Fälle die erwartbare Produktsicherheit wieder herstellt, ist zunächst ihm überlassen.

Als Optionen stehen folgende Produktrückrufmaßnahmen zur Verfügung:

  • Veröffentlichung einer Warnung
  • Änderung der Produktgestaltung
  • Rücknahme von Produkten aus der Zwischenhandelskette
  • Aussenden von Informationen über die korrekte Verwendung von Produkten
  • Ändern von Produkten vor Ort, zum Beispiel bei den Kunden
  • Rückruf von Produkten gegen Ersatz oder Rückerstattung

Darüber hinaus muss der Hersteller die für die Marktüberwachung zuständigen Behörden informieren und informiert halten, sobald er weiß oder vermutet, dass von seinem Produkt eine Gefahr für Sicherheit und Gesundheit der Nutzer ausgeht könnte.

Welche Behörde zuständig ist, hängt vom Produkt ab. Für Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel sind das auf Bundesebene das BVL.

Für Medizinprodukte und Medizintechnik spielt die BfArM als zuständige Behörde eine europaweit wichtige Rolle.

Die BAuA betreibt die Webseite www.rueckrufe.de

Im Rahmen des hoheitlichen Gefahrenabwehrrechtes sind zusätzlich die jeweiligen kommunalen und Landesbehörden zuständig.

Produkthaftung;Produkt-Rückruf; Produkt-Manipulation;Produkt-Schutz

Produktrückrufkosten

Welche wirtschaftlichen Folgen haben Produktrückrufe?

Die wirtschaftlichen Folgen des Produktrückrufes sind häufig reine Kostenschäden aber auch Reputationsschäden wie z. B.:

  • Personalkosten für zusätzliche Kräfte
  • Juristische Beratungskosten
  • Strafrechtliche Beratungs- und ggf. Verteidigungskosten
  • Sonderkosten für Beratung, PR und Marketing
  • Rückrufkosten im engeren Sinne
  1. Prüf- und Sortierkosten
  2. Vernichtungskosten
  3. Rücksendekosten

Sind Produktrückrufe nur B2C relevant?

Der zu Anfang geschilderte Fall könnte dazu verleiten anzunehmen, dass Produktrückrufe nur für private Verbraucherprodukte in Betracht kommen.

Die Pflicht zur Aufrechterhaltung der Produktsicherheit gilt allerdings auch für Produkte, die rein B2B vertrieben werden oder gewerblich zum Einsatz kommen.

In solchen Fällen kommen ggf. professionellere Produktrückruf-Maßnahmen in Betracht, wie z. B. Teileaustausch, Nachrüstung oder fachliche Zusatzinformationen. (Siehe Pflegebettenfall).

Wieso sind Produktrückrufkosten ein ESG-Thema?

Mit ESG-Kriterien soll in Unternehmen das umweltpolitische, soziale und unternehmerische Wohlverhalten gemessen werden.

Am Umgang mit Produktrückrufen lässt sich unter anderem ablesen, wie es um das generelle Qualitätsmanagement bestellt ist. In Unternehmen mit sehr gutem Qualitätsmanagement passieren auch Fehler – sie werden aber mit höherer Wahrscheinlichkeit früher entdeckt und günstiger behoben.

Unternehmen, die sehr gut versichert sind, können dadurch im Schadenfall auf Experten zugreifen. Produktrückrufe sind schließlich nicht alltäglich. Die Unterstützung der Mitarbeitenden durch externes Know-how und Erfahrung hilft allen Beteiligten. Der Produktrückruf wird effektiv und effizient erledigt.

Wieso deckt die Produkthaftpflichtversicherung keine Rückrufkosten ab?

Die Antwort ist einfach:

  • es mangelt an einem konkreten Schadenfall!
  • die Produkthaftpflichtversicherung deckt grundsätzlich keine Kostenschäden ab!

Wieso deckt die Erweiterte Produkthaftpflichtversicherung keine Produktrückrufkosten ab?

Die Antwort ist ebenso einfach:

  • die Erweiterte Produkthaftpflichtversicherung deckt zwar bestimmte Kostenschäden ab, ABER alle Kosten für Produktrückrufe sind bedingungsgemäß ausgeschlossen!

Was muss man über Versicherungen wissen?

Ich hoffe der Artikel verdeutlicht außerdem, dass „Versicherungen keine Turnschuhe“ sind. Man kann sie nicht nach dem Preis bewerten und man kann sie nicht überziehen, ob sie passen.

Versicherungen sind komplexe Rechtsprodukte, die im individuellen Risikokontext bewertet UND im Verlauf der Zeit betreut werden müssen.

Als Versicherungsmakler und hanseatischer Kaufmann fühle ich mich der Tradition verpflichtet, für meine Kunden verlässlichen Versicherungsschutz zu besorgen und ihnen in guten und schlechten Zeiten zur Seite zu stehen.

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Wedel, 18.05.2024, Dipl.-Kfm. Christian Fuchs ist der „Versicherungs-Fuchs“ für Betriebs- und Produkthaftpflichtversicherungen und staatlich geprüfter Haftpflicht-Underwriter (DVA)