Betriebshaftpflichtversicherung für Amazon-Händler
Warum verlangt Amazon eine Betriebshaftpflichtversicherung von seinen Händlern – das Leben war doch so schön
Im Geschäftsverkehr ist es weltweit üblich, von seinen Partnern den Nachweis einer Betriebs- bzw. Produkthaftpflichtversicherung zu fordern. Schließlich will niemand bei Schadenfällen auf den Kosten sitzen bleiben. Außerdem gewährleistet ein professioneller Versicherungsschutz auch eine professionelle Abwicklung der Schadenprozesse.
Wer seine Produkte über die Plattform von Amazon verkauft, und einen gewissen Monatsumsatz überschreitet, von dem verlangt Amazon, aus vielen guten Gründen, den Nachweis einer Betriebshaftpflichtversicherung. Richtig so!
So wird sichergestellt, dass für etwaige Sach- und Personenschäden eine Mindestdeckung von 1.000.000 Euro gewährleistet ist. Mit diesem Betrag kann im Schadenfall dem Verkäufer des Produktes und dem Geschädigten gut geholfen werden.
Halbwegs erfüllbar und nachvollziehbar ist die Anforderung von Amazon, im Falle der Versicherungsbeendigung durch den Händler von der Versicherung direkt informiert zu werden. Das kennt man auch von Gebäude- oder Kfz-Versicherungen.
ABSURDERWEISE aber möchte Amazon mit Sitz in Luxemburg als „Versicherter“ in die Police aufgenommen werden.
Diese eine Bedingungen überfordert die Europäischen Versicherer, weil das in unserem Rechtssystem in keiner Weise zielführend und üblich ist.
Wer Mitversicherter bzw. Mitversicherungsnehmer eines Versicherungsvertrages wird, hat die gleichen (vollen) Rechte und Pflichten wie der Versicherungsnehmer.
Kündigungsrecht, Beitragszahlungspflicht, Beachtung und Erfüllung der Obliegenheiten vor Schadeneintritt, Beachtung und Erfüllung der Obliegenheiten nach Schadeneintritt, Meldepflichten bei Risikoänderungen, usw..
Warum verlangt Amazon also die Aufnahme als Versicherter? Das hilft weder Amazon, noch dem Händler, noch dem Geschädigten!
Wann müssen Amazon-Händler keine Versicherung vorlegen?
Wer reiner Händler der Produkte ist, der soll den Nachweis einer Versicherung vermeiden können, indem er Amazon den Importeur, den Inhaber der Markenrechte oder den echten Hersteller offenlegt.
Für mich bedeutet das im Umkehrschluss, dass nur „echte Hersteller“ und „Quasi-Hersteller“ eine Versicherungsbestätigung vorlegen müssen.
Was ist das Haftungsproblem für Amazon?
Wenn Amazon Deine Waren für Dich lagert, verpackt und versendet, ist Amazon als Dein Erfüllungsgehilfe (siehe § 278 BGB) anzusehen. Du als Auftraggeber haftest daher für alle Schäden, die durch Fehler von Amazon beim Endabnehmer entstehen.
ABER: Amazon ist kein angestellter Erfüllungsgehilfe, sondern ein selbständiger externer Dienstleister. Im Schadenfall steht Dir und damit Deiner Versicherung der Regress zu.
Mit der Haftungsfreistellung ließe sich eine Lösung schaffen, welche dieses Problem löst.
Gretchen-Frage: Wird Amazon eine solche Sonderklausel anstatt der Mitversicherung akzeptieren? Die bisherige Praxis von Amazon spricht für ein „nein“.
Wieso reicht die bewährte Haftungsfreistellungs-Erklärung (hold harmless agreement) für Amazon nicht aus?
Leider wurden alle uns bekannten Anfragen von Händlern, ob Amazon die Haftungsfreistellungserklärung akzeptiert, von Amazon abgelehnt.
Mit der Haftungsfreistellung würde Amazon in den Versicherungsschutz des Händlers, aber nicht in den Versicherungsvertrag eingeschlossen.
Schade! Hierdurch würden alle Beteiligten viel Zeit und Geld sparen UND gut abgesichert sein. Aber vielleicht geht es ja nicht um die Sinnhaftigkeit.
Welche Rolle spielt das Produkthaftungsgesetz und die neue Produkthaftungs-Richtlinie?
Im geltenden Produkthaftungsgesetz gibt es keine Regelung, die die Produkthaftung eines Handelsdienstleisters wie Amazon auslösen könnte.
Amazon ist weder „Hersteller“ des Produktes gemäß § 1 Produkthaftungsgesetz noch „Quasi-Hersteller“ nach § 4 ProdHaftG.
Amazon ist im FBA-Programm ein reiner Dienstleister des Herstellers. Das Haftungsrisiko und alle Herstellerpflichten verbleiben damit allein in der Verantwortung des Amazon-Händlers.
Die Novellierung der Produkthaftungs-Richtlinie wird auch Dienstleister von Herstellern in die Haftung einbeziehen. Wie genau, wird das Gesetzgebungsverfahren zeigen.
Von der EU vorgegeben ist eine gewisse „Amerikanisierung“ der Produkthaftung und die Ausweitung der Haftung auf weitere Wirtschaftsakteure – explizit auch Fulfillment-Dienstleister!
Bereit sich Amazon darauf vor? Denn wer den echten Hersteller im Sinne des Produkthaftungsgesetzes in der Lieferkette benennen kann, der ist selbst fein raus aus der Produkthaftung.
ACHTUNG – Garantiefälle sind keine versicherten Haftpflichtschadenfälle!
Eine Haftpflichtversicherung deckt grundsätzlich nur die gesetzlichen Schadenersatzansprüche von Geschädigten ab!
Weitergehende freiwillige Schadenersatzleistungen sind nicht versichert. Folglich sind Garantien damit vom Versicherungsschutz ausgeschlossen, weil eine Garantie eine rein freiwillige Haftungserweiterung ist.
Wer also seine Kunden mit Garantieleistungen „beglücken“ möchte, der sollte dies in seiner betriebswirtschaftlichen Kalkulation berücksichtigen. Eine Versicherungsleistung ist hierfür nicht zu erwarten.
Welche Versicherung hilft?
Wer Hersteller oder Quasi-Hersteller seiner Produkte und Waren ist oder wer als Händler nicht seine Quellen offenlegen möchte, der benötigt eine „amazon-konforme Versicherung“ – also eine Versicherung, die vor allem bereit ist, Amazon mit Sitz in Luxemburg als Mitversicherungsnehmer in die Police aufzunehmen.
Desweiteren benötigt man auch einen erfahrenen Versicherungsmakler, um die wiederkehrenden Prozesse und Probleme mit und für den Amazon-Partner laufend zu begleiten.
Die Hiscox hat sich öffentlich als Versicherer angeboten. Angeblich soll Amazon auch eine eigene Versicherungslösung anbieten.
Wedel, 27.08.2024, Diplom-Kaufmann Christian Fuchs ist der „Versicherungs-Fuchs“ für Produkthaftpflichtversicherungen und staatlich geprüfter Haftpflicht-Underwriter (DVA)
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