Was bedeutet Verschärfte Produkthaftung?
Die verschärfte Produkthaftung ist die erweiterte Haftung des Händlers für Sach- und Personenschäden die seine Handelsprodukte verursacht haben.
Warum braucht man eine Verschärfte Produkthaftpflichtversicherung?
In Deutschland ist die Betriebs- und Produkthaftpflichtversicherung die wichtigste Versicherung überhaupt, weil das Unternehmen und häufig auch der Unternehmer persönlich in voller Höhe für verursachte Schäden aufkommen müssen.
Abgesichert ist das Betriebliche Risiko, das Produktrisiko und die Umwelthaftpflicht.
Das betriebliche Risiko ergibt sich aus der Haftung für die Produktion, also aus den Risiken die während und zur Leistungserstellung entstehen.
Unter der Produkthaftpflichtversicherung wird die Versicherung des Haftungsrisikos für die Produkte und Leistungen eines Betriebes verstanden. Versicherungsschutz besteht also für die Ergebnisse des Betriebes.
In der Haftpflichtversicherung für betriebliche und berufliche Risiken, wie die Betriebshaftpflichtversicherung auch genannt wird, ist regelmäßig eine Deckung für dieses Produktrisiko enthalten.
Das erste Element der Produkthaftung ist die Haftung für Fehler des fertigen Produktes. Versichert ist nicht das fehlerhafte Produkt selbst, sondern der Schaden beim Endabnehmer, weil bei ihm durch das Produkt typischerweise Personen- oder Sachschäden und ggf. Vermögensfolgeschäden entstanden sind.
Das zweite Element ist die Deckung der Haftung des Herstellers, Quasi-Herstellers, Onlienhändlers und des Importeurs für sein fehlerhaftes Produkt, welches das Fehlschlagen einer gewerblichen Weiterverarbeitung verursacht.
Wer kann haftbar gemacht werden? Wer haftet wie?
Bei industrieller Fertigung, in der Endprodukt oftmals aus vielen einzelnen Teilprodukten von unterschiedlichen Herstellern zusammengesetzt wurde, wird bei der Geltendmachung von Haftungsansprüchen immer die Frage nach dem Verantwortlichen aufgeworfen. Die Antwort ist komplex, da häufig mehrere Akteure nebeneinander haftbar gemacht werden können und eventuell auch noch Importeure und Händler die Haftungskette erweitern. § 4 ProdHaftG definiert, wer als „Hersteller“ haftbar gemacht werden kann.
Hersteller des Endprodukts
Voraussetzung für eine Haftbarkeit des Herstellers des Endprodukts ist, dass es sich um eine gewerbsmäßige Herstellung handelt, die eigenverantwortlich und selbständig betrieben wird. Angestellte des Herstellers sind somit von der Haftung nach dem ProdHaftG ausgeschlossen. Wichtig ist, dass der Hersteller in jedem Fall auch für fehlerhafte Zukaufteile haftet. Aus diesem Grund können auch so genannte Assembler, d. h. Hersteller, die lediglich Einzelteile von anderen Herstellern zu einem Produkt zusammenbauen, oder Lizenznehmer haftbar gemacht werden.
Hersteller des Teilprodukts
Der Hersteller eines Teilprodukts kann genauso für den gesamten entstandenen Schaden haftbar gemacht werden wie der Endprodukthersteller. Seine Haftung setzt dabei voraus, dass das von ihm hergestellte Teilprodukt fehlerhaft war. Diese Regelung betrifft vor allem Hersteller von Grundstoffen, die z. B. nur die Rohstoffe für die Herstellung eines Produkts liefern. Sie können, wenn der Rohstoff fehlerhaft war, dann auch für den gesamten entstandenen Schaden in Haftung genommen werden. Allerdings kann der Zulieferer sich entlasten (§ 1 Abs. 3 ProdHaftG), wenn der Fehler aufgrund fehlerhafter Konstruktion des Endprodukts entstanden ist.
Quasihersteller 1 – Handel mit Eigenmarken
Als Quasihersteller werden solche Händler bezeichnet, die ein Produkt nicht selbst herstellen, sondern lediglich von anderen Herstellern produzierte Produkte unter Anbringung des eigenen Namens, Warenzeichens oder einer eigenen Marke in die Öffentlichkeit bringen. Häufig kommt dies bei Hausmarken von z. B. Einzelhändlern vor. Ein Quasihersteller kann dann von der Haftung frei werden, wenn er bei Inverkehrbringung neben seinem Namen auch noch den Namen des tatsächlichen Herstellers auf dem Produkt anbringt oder ihm eine reine Händlereigenschaft des Verkaufs zugeschrieben werden kann. Die nachträgliche Nennung des tatsächlichen Herstellers erst im Schadenfall reicht hingegen nicht für einen Haftungsausschluss.
Quasihersteller 2 – Importeure aus Nicht-EWR-Ländern
Bei Importen aus Mitgliedsländern der EU nach Deutschland wird der Importeur im Schadenfall haftungsfrei, wenn er den Hersteller benennen kann, da hier davon ausgegangen wird, dass der Hersteller selbst haftbar gemacht werden kann. Anders sieht es bei fehlerhaften Importen aus Drittländern aus, hier kann immer der Importeur wie ein „Hersteller“ voll haftbar gemacht werden. Der Importeur haftet hier neben dem eigentlichen Hersteller im Ausland. Diese Regelung greift auch bei deutschen Reimporten aus einem Drittland. Auch hier verwendet man oft den Begriff des Quasiherstellers.
Beispiel für Quasi-Hersteller „EWR-Import“:
Sie befassen sich mit dem Import und Vertrieb von Tierfutter, welches Sie von Ihrem Lieferanten aus den USA beziehen und nach Deutschland importieren.
Leider zeigt sich nach kurzer Lagerzeit, dass die Dosen aufblähen und unverkäuflich sind. Als Ursache ermittellt ein Sachverständiger eine Infektion Ihres Produktes mit Hefebakterien.
Beispiel für Quasi-Hersteller „Eigenmarke“:
Sie vertreiben eine neuartige Hautcreme unter Ihrem eigenem Namen die bisher alle Produkttests bestanden hat. Sie beziehen die Hautcreme von einem zertifizierten Betrieb mit Sitz im schönen Bayern. Einige Zeit später aber melden sich mehrere Kunden und klagen über massive Hautrötungen nach Anwendung Ihrer Creme. Die auf Kosten der Versicherung hinzugezogenen Sachverständigen ermitteln die Schadensursache. In der Produktion hat sich eine Verunreinigung der Zutaten eingeschlichen, so dass Sie als Verursacher eindeutig feststehen – die Versicherung muss daraufhin für den Schaden aufkommen.
Haftung als Händler 1
Generell können auch Händler haftbar gemacht werden. Allerdings sieht das ProdHaftG vor, dass ein Händler haftungsfrei wird, wenn er den Vorlieferanten innerhalb einer einmonatigen Frist nennen kann. Eine lückenlose Dokumentation der Vertriebskette ist somit für Händler ein Muss.
Händler sind aber immer dann unbeschränkt haftbar, wenn sie die fehlerhaften Produkte von einem Importeur gekauft haben, der aus einem Drittland importiert und dessen Name nicht feststellbar bzw. auffindbar ist. Die Nennung des Herstellers im Drittland führt dann zu keiner Haftungsbefreiung. Der Händler haftet natürlich auch immer dann, wenn er selbst Importeur aus einem Drittland ist und die Ware vertreibt.
Ab Juli 2021 gilt die Marktüberwachungsverordnung. Der Onlinehändler ist zwar nach geltendem Recht weder Hersteller noch Inverkehrbringer von Produkten, er wird nun aber durch die neue Verordnung schon durch das bloße Anbieten im Netz oder auf Onlineplattformen zum Inverkehrbringer.
Ergo: der Händler wird künftig in Sachen Produktsicherheit und Produktkonformität stärker in die Verantwortung und auch Haftung genommen.
Haftung als Händler 2
Für den Geschädigten gilt, dass er nach den genannten Voraussetzungen frei wählen kann, gegen wen er seine Haftungsansprüche richtet. Erst in einem zweiten Schritt findet ein Ausgleich nach dem Grad der Verantwortlichkeit unter den Herstellern im oben genannten Sinn statt.
Im Ergebnis entstehen unter Umständen die sog. Abwehrkosten (Anwalts-, Sachverständigen- und Gerichtskosten) für erhobene Schadenersatzansprüche des Kunden.
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Versicherungsschutz für die Verschärfte Produkthaftpflicht
Jeder Händler kann also per Gesetz zum Hersteller eines Produktes werden. Diese erweiterte Haftung des Händlers für fremde Produkte macht einen besonderen Versicherungsschutz erforderlich.
Absicherung des Rückrufkostenrisikos – Erweitern Sie Ihren Versicherungsschutz
Über eine individuelle Police sind Vermögensschäden versicherbar, wenn ein Rückruf durchgeführt wurde.
Gründe sind festgestellte oder nach objektiven Tatsachen (z. B. Stichprobenbefunde) vermutete Mängel von Erzeugnissen oder aufgrund behördlicher Anordnung zur Vermeidung von Personen- und Sachschäden.
Versicherbar sind der Fremdrückruf und/oder der Eigenrückruf.
Informationen über konkrete aktuelle Rückrufaktionen sind im Internet abrufbar unter: www.produktrueckrufe.de
Beim Rückruf von vielleicht gefährlichen Produkten geht es nicht um Schadenersatz, sondern um Schadenverhütung. Gesetzliche Vorschriften, die den Hersteller oder Händler zum Rückruf verpflichten, sind daher dem Recht der Gefahrenabwehr zuzurechnen.
Der BGH stellt in seinen Urteilen immer wieder klar, dass die Sicherungspflichten eines Herstellers und Quasi-Herstellers nicht mit dem Inverkehrbringen des Produktes enden: „Der Hersteller ist vielmehr verpflichtet, auch nach diesem Zeitpunkt alles zu tun, um Gefahren abzuwenden, die sein Produkt erzeugen kann. Er muss es auf noch nicht bekannte schädliche Eigenschaften hin beobachten und sich sich über seine sonstigen, eine Gefahrenlage schaffenden Verwendungsfolgen informieren. Hieraus können sich insbesondere Reaktionspflichten zur Warnung vor etwaigen Produktgefahren ergeben, wobei Inhalt und Umfang einer Warnung und auch Ihr Zeitpunkt wesentlch durch das jeweils gefährdete Rechtsgut bestimmt werden und vor allem von der Größe der Gefahr abhängig sind. Erst recht treffen den Händler solche Pflichten, sobald er erkennt oder für möglich hält, dass sein Produkt einen ihm anzulastenden Konstruktionsfehler aufweist.“
Fazit: Für Hersteller besteht die Pflicht zum Rückruf von gefährlichen Produkten und auch die Tragung der dadurch verursachten Kosten.